Mit Sturheit und guter Begleitung 🙂
Drei Wanderbuddies, unser dritter Hunderter und dreimal in Köln Extremwandern!
Petra, Michael und ich – Wir drei sind guter Dinge.
Haben wir in der Vergangenheit locker die 50er Märsche gemeistert, so sollte ein Megamarsch über 100 Kilometer doch für uns machbar sein. Die Länge der Strecke, der Weg durch die Nacht, das gemeldete Regenwetter – alles kein Problem, solange wir das gemeinsam durchstehen.
Die Wetterprognose für das Wochenende war mies – gemeldet waren Regenschauer, Gewitter und Wind. Doch wider Erwarten blieb es den ganzen Vormittag trocken.
Mit enthusiastischem Herzen gingen wir an einem bewölkten Samstagmittag zu dritt an den Start.
Schnell noch das obligatorische Starter Foto für die Freunde daheim gemacht – und für den späteren Vorher-Nachher Vergleich.
Geteiltes Leid ist halbes Leid
Zu unserem Dreigestirn gesellten sich noch zwei weitere Extremwanderer. Zu fünft marschierten wir quer durch Köln Richtung Rheinufer.
Das Tolle ist, dass wir beim Laufen leicht ins Gespräch kommen.
Denn Wandern verbindet.
Dieser Wahnsinn verbindet!
Und die Zeit geht schneller um.
Da schien sie noch – die Sonne
Los geht der Wahnsinn
13:15 Uhr fiel der Startschuss!
Und mit ihm der Regen. Wir liefen eine Zeit durch den leichten Nieselregen, guter Dinge, dass uns das bisschen Regen doch nicht abbringen würde.
Und siehe da, kurze Zeit später hörte es auch wieder auf.
Der Himmel riss auf und die Sonne kam heraus. Von wegen andauernder Regenschauer … Pah!
Die leicht durchnässte Hose würde schon wieder trocknen und die Laune wieder steigen. Schließlich hielten die Schuhe dicht!
Der Rhein – die Wetterscheide
Wir erreichten das Rheinufer bei Sonnenschein – dem letzten des Tages.
Als hätte der Wettergott seinen Fehler bemerkte, schickte er hinterrücks ein fettes Gewitter den Rhein hinauf: Aus der Ferne nahmen wir Blitze und Grollen wahr.
Ich konnte unserem Gast von der Ostsee noch kurz die Silhouette des Kölner Doms zeigen – da schlug das Unwetter uns mit voller Wucht entgegen. Mitten auf der Mülheimer Brücke – nach nur 10 Kilometer Strecke – peitschte der Regen auf uns herab.
Der Goofy Moment
Jeglicher Versuch AUF der stürmischen Brücke einen Regenponcho über zu werfen schlug fehl.
Wie Goofy mit dem Klappstuhl – oder war es Donald?
Allein die Idee war dämlich.
Grau in Grau: der Himmel, die Straßen, die Laune
Wir trotteten durch den anhaltenden Regen über den Kölnpfad. Erst ging es am Rheinufer entlang, daraufhin über ein paar regennasse Straßen irgendwelcher Stadtteile.
Mir war alles egal – Hauptsache weiter.
Irgendwann hörte es auf zu regnen – Petrus Missetat war vollbracht.
Mit durchnässten Klamotten, nassen Füßen und hängenden Köpfen schafften wir 20 Kilometer und gelangten zur ersten Verpflegungsstation.
Warme Worte, lächelnde Gesichter, helfende Hände
Erste Socken wurden gewechselt, erste Blasenpflaster geklebt.
Ehe wir weiter zogen, wurden uns warme Getränke und leckere Knabbereien von lächelnden Menschen gereicht.
Helfern, die diesen Wahnsinn noch vor oder bereits hinter sich haben.
Dunkel war’s, der Mond schien helle
Wir zogen gemeinsam weiter in die Nacht. Beim Heraustreten aus dem zappendusteren Dünnwald wurde es wieder urban, heller und lauter.
Köln steht wohl nie still. Über Bundesstraßen und Autobahnen brummt unentwegt der Verkehr.
Wir liefen viele Kilometer über harten Straßenbelag. „Asphaltfressen“ nannte meine Freundin es spöttisch.
Erste Ausfälle bei KM 40
Der erste von uns Fünfen schmiss das Handtuch. Nach 8 Stunden – bei Kilometer 40 – an der zweiten VPS machte er Schluss. Mit den vom Regen aufgeweichten Füßen wollte er keinen Schritt mehr machen.
Nachvollziehbar.
Zu viert zogen wir weiter.
Wir passierten viele Megamarschler, die sich fix und fertig in Bushaltestellen, auf Mäuerchen oder einfach an den Straßenrand legten.
Unser Vierer-Trupp schob sich quälend immer langsamer voran.
Quasi im Autopilot-Modus: still, schweigsam und leidend.
Bei Kilometer 74 warf die nächste dann das regennasse Handtuch.
Bzw. die Wanderschuhe.
Da waren wir wieder zu dritt. Das 100-er geübte Dreier-Dreamteam!
Leider nur eine kurze Zeit.
Der heftige Regenschauer zu Beginn hatte die Schuhe meiner beiden Wanderbuddies derart durchnässt, dass beide sich die Füße mittlerweile wund gelaufen hatten.
Da half auch nicht unser persönlicher Streckensupport, der bei Kilometer 60 mit trockenen Socken, heißer Gulaschsuppe und kaltem Bier auf uns wartete.
Dickschädel voraus
Bei aller Freundschaft – jetzt aus Sympathie aufzugeben, kam für mich nicht in Frage!
Ich hätte mir selbst tagelang in den Hintern gebissen.
Kurzer Systemcheck: Füße ok, Knie naja, Motivation auf Go!
Ich setzte mir ein kleines Zwischenziel: rechtzeitig vor Schließung den letzten VPS bei Kilometer 80 erreichen. Kaum angekommen, traf ich auf weitere „kaputte“ Typen: müde, verschwitzt, mit demolierten Füßen. Ach was habe ich mich gefreut!
Jetzt nur noch 20 Kilometer bis zum Ziel!
Was sind schon 20 Kilometer?
An anderen Tagen …
Plötzlich allein – und doch nicht allein
Die frühen Vögel daheim meldeten sich und ich bekam Nachrichten und Anrufe von meinen Wanderfreundinnen daheim!
Sonntagmorgen um 7 Uhr hielten sie mich bei Laune.
Eine ließ es sich sogar nicht nehmen, zu kommen und mich die letzten 18 Kilometer zu begleiten. Damit ich nicht alleine war.
Und um mich zu motivieren, abzulenken und mein Gemotze zu ertragen.
Das war zwischenzeitlich echt nicht schön:
„Auf welchen Sch* hab ich mich da nur eingelassen?”
“Wie viele besch* Kilometer sind es noch?!?!”
“Ich kotz dir gleich vor die Füße!”
Da! Eine Bank!
Bei Kilometer 95 stand eine Bank. Kurze Frage ans Gewissen: Setzen oder weiter quälen?
Kurzes Powernapping oder lieber nicht?
Ach was soll’s – ich nahm sie als ein Geschenk des Himmels an!
Hinke ich noch oder laufe ich schon?
Plötzlich packte mich eine Idee:
„Wenn ich mich ein wenig beeile, habe ich den Scheiß eher hinter mir!“
Meine Schritte werden wieder schneller. Meine Freundin redet schneller.
Da lauerte tatsächlich noch ein Fotograf am Wegesrand. Ich lächelte gequält.
Ich fühlte mich 100 Jahre alt.
Plötzlich sprang der Tracker auf Kilometer 100!
„Wo ist das ver*** Ziel?“
Da hinten gleich um die Kurve herum.
Emotionaler Zieleinlauf
Wir näherten uns. Mir wurde ganz schwer ums Herz.
Dazu hing mir noch jemand eine Medaille um den Hals.
Lächelnd.
Mit einem Mal liefen Tränen aus meinen Augen – obwohl ich lachen musste.
Setzte jetzt der Wahnsinn ein?
Schluss für heute
Der Wind nahm wieder Fahrt auf.
Pavillons knickten ein und drohten wegzufliegen. Es wurde hektisch um uns herum.
Und am Himmel braute sich wieder was zusammen.
Nicht noch ein Regenschauer!
Zeit abzuhauen.
Schlaf nachholen.
Wunden lecken.
Und dann nach den nächsten Terminen zu schauen.
Wahnsinn!
Wie läuft’s bei dir?
Hast auch du schonmal an einem Extremmarsch teilgenommen?
Wie sind deine Erfahrungen?
Was fandest du super? Was hat dich gestört?
Lief alles gut?
Lässt du dich von dem Sog mitziehen? Und bist du auch schon infiziert wie ich?
Erzähl mal!
2 Antworten
großartig geschrieben 😊
Danke :-*